Sonntag, 3. April 2011
Hoch und Tiefbau AG
Was für ein irrer Tag. Aber der Beginn ist Nachts. Ganz früh. Genauer gesagt: 4 Uhr und zwanzig Minuten ist der neue Tag alt, als mich plötzlich lautes Gepolter auf dem Flur aus dem Schlaf reißt. Die Tür wird aufgerissen, das Licht angeknipst und ich blinzele aus meinem Schlafsack zu zwei vollkommen besoffenen Typen hoch. "Ey, hier is einer. Was macht'n der hier? Los, raus mit dir, du Penner!" Nette Worte zum Wachwerden. Wie sich kurz darauf herausstellt ist einer der beiden mein Zimmervorgänger der keine Ahnung davon hat, dass ich diese Nacht schon in seinem Zuhause schlafen wollte, durfte und konnte. Nach dieser Klärung brauchen die beiden erstmal noch einen Schluck um die Überraschung zu verdauen. Mit vollen Gläsern bewaffnet kommen sie wieder in's Zimmer zurückgetaumelt, fummeln sich durch all den Krempel zur Matratze durch und schmeißen den Fernseher an. Ein Hurra auf die Spacenight. Beide stinken penetrant nach Kippen, Alkohol und diversen Körperflüssigkeiten. Nett.
Ein, für ihren Zustand, erstaunlich gekonnt gefertigter Dübel fertigt einen der Zwei völlig ab. Legt sich hin und schläft grunzend halb auf meiner Isomatte hängend am Rand seiner Matratze ein. Der andere ist etwas zäher. Erst eine Stunde später zeigt das intensive Bestarren eines Kaminfeuers auf SuperRtl die von mir herbeigesehnte Wirkung und er ergibt sich seinem totalen Rausch. Schlafen kann ich immer noch nicht. Beide schnarchen wie die Helden und mein unfreiwilliger Bettnachbar macht deutliche Würggeräusche. Ich möchte ungern unvorbereitet eine nächtliche Wohlfühldusche nehmen. Wieder eine halbe Stunde später wird die Matratze schließlich zum bereitwilligen Schwamm einer vermutlich großartigen Alkoholmixtur. Etwas süßlich-saures gesellt sich zur bunten Geruchsmixtur. Ich überlege die ganze Zeit fieberhaft, was ich machen könnte. Raus? Da stehe ich vollkommen übermüdet, stinkend, hungrig und vollkommen planlos mit viel Gepäck planlos in der Gegend herum. In den Flur umziehen? Die Gefahr von einem der beiden Helden im Schlaf betrampelt zu werden ist mir zu groß. Küche und Bad sind zu klein. Also bleiben und versuchen doch noch ein wenig Schlaf zu bekommen. Der Kirchgang bekommt schließlich als Ziel einen ganz neuen Anreiz. Ersteinmal dort heraus und Zeit zum nachdenken, was tun.
Gegen 9 packe ich meinen kompletten Kram zusammen, fahre zum Bahnhof, bringe das große Gepäck im Schließfach unter und gehe, übel nach Qualm müffelnd, zum Gottesdienst in die St. Marienkirche. Der Kantor tobte sich bei Vor- Nachspiel so richtig aus. Orgelomaniatastisch.
Im Regen ging es dann mit dem Fahrrad in Richtung Unigelände, zu einer möglichen Alternative zum Stinkzimmer. Nach einigem Suchen in diesem Studentendorf (oh, Philipp. Da kommen "reale" Erinnerungen) war die richtige Wohnung gefunden. Und wie toll. Balkon, ruhig, Ausblick auf Schrebergärten, günstig und voll möbliert. Bei einem Kaffe haben wir kurz die Auswirkungen auf meine Reisezeit nach Malente untersucht. 45 Minuten für eine Strecke. Aber das ist mir dieses Zimmerchen hier jetzt wirklich wert. Die Alternative am Bahnhof kommt da in keiner Weise heran.
Vom 0-Punkt des "angeekelt sein" zu "sich wohlfühlen" innerhalb eines Tages. Lübecks Schatten und Sonnenseiten. Ganz ohne Strand. Und endlich habe ich hier ein Zuhause. Das fühlt sich gut an.
Dinge, die manchmal einfach passieren, weil sie möglich sind.
http://www.leasticoulddo.com/comic/20110403

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