Dienstag, 26. April 2016
Das Menschlein
Samstagmorgen. Der Zug rumpelt Richtung Rhein und ich versuche es mir im ergonomischen Gesundheitssitz bequem zu machen. Ganz zart dünstet noch der Duft der Freitagabendmenschen aus den Polstern, vermischt sich mit der Geruchsspur aus den Tausendundeinertüten eines emsigen morgendlichen Flaschensammlers, der schon, oder möglicherweise auch immer noch, zu dieser frühen Stunde vorbeigeklirrt kommt. Zwischen Bahnhof No.3 und 4 ist sie dann schließlich zu hören, meine doppelköpfige Nemesis. Fröhliche, saisonal leicht variierte Grundschauerlichkeit einer Quetschkommode, begleitet von Trompetenklängen, deren herausragende Qualität vor allem in der ihnen inne wohnenden Lautstärke liegt. Das alles in dem zugbedingten en passant Maximalabstand von eineinhalb Metern. Sicherlich das Highlight der regelmäßigen samstäglichen Morgenfahrten. Mein Bedürfnis, Geld in die auffordernd hergereichte Kopfbedeckung zu werfen, ist mit "0" sicherlich neutral bewertet. (Im größeren Rahmen einer Erpressung wäre ich möglicherweise eher dazu geneigt. Immerhin würde das ja bedeuten, dass ich die Möglichkeit hätte, auf das Erscheinen dieser Manifestation des Grauens reduzierend einwirken zu können.) Die gelegentlich mitreisenden Rentnergruppen sind da deutlich flexibler. Möglicherweise ist der Grund dafür aber auch in der ebenso beeindruckenden wie fürchterlichen Fähigkeit zu suchen, sich schon Samstagmorgen, so gegen acht, zwei "Piccolöchen" innerhalb von 20 Minuten einzuverleiben. Wegen der "guten Stimmung", wie nach einer ebensolchen Zeitspanne von drei Sitzreihen weiter vorn lauthals zu vernehmen ist.

Dennoch ist irgendetwas in mir über die ganze Situation belustigt und erstaunt, dass selbst jetzt immer noch eine ganze Menge Seltsamkeiten auch immer noch als absurd erscheinen. "Offenheit für Neues", wie es in den "Big Five" so heißt, hört wohl doch nie so ganz auf.

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